Stellenabbau bei Schaeffler

Nur gemeinsam überstehen wir auch diese Krise!

28.11.2024 | Vor kurzem hat der Arbeitgeber seine Pläne zu einem tief einschneidenden Personalabbau vorgestellt – das Projekt „FORWARD“. In einem Doppelinterview stellen der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats (KBR), Uli Schöpplein (Schweinfurt), und seine Stellvertreterin Carola Rühl (Schwalbach) ihre Sicht der Dinge auf das Projekt vor und erläutern, welche Ziele der KBR verfolgt.

Zusammenhalten - Nur gemeinsam überstehen wir diese Krise! Auf einer Aktion im Rahmen der Betriebsrätevollversammlung kamen mehrere hundert Leute zusammen | Foto: Agnes Conrad

Uli Schöpplein, Vorsitzender des Schaeffler-KBR. | Foto: Uli Schöpplein

Carola Rühl, stellvertretende Vorsitzende des Schaeffler-KBR und ehemalige stellvertretende Vorsitzende des GBR des Vitesco GmbH. | Foto: Carola Rühl.

Bei der diesjährigen Betriebsrätevollkonferenz kamen über 200 Betriebsräte aus allen deutschen Standorten zusammen. | Foto: Agnes Conrad

Frage: Eure erste gemeinsame Betriebsräteversammlung liegt hinter Euch. Was nehmt Ihr mit?

Ulrich Schöpplein: Aufbruch - so merkwürdig sich das auch anhören mag, wenn der Arbeitgeber gerade ein weitreichendes Restrukturierungsprogramm und den Abbau tausender Arbeitsplätze angekündigt hat.

Carola Rühl: Und Geschlossenheit. Wobei natürlich schon zu spüren war, dass da Kolleginnen und Kollegen von zwei bis vor kurzem noch getrennten Unternehmen erstmals in diesem Rahmen zusammengekommen sind.

Frage: Du hast die Restrukturierung, Stichwort Projekt „FORWARD“ schon erwähnt, Uli. Wie geht der KBR damit um?

Schöpplein: Wie wir das immer tun: Engagiert, professionell, kampfbereit, und das alles mit einem klaren Blick auf die Interessen der Beschäftigten. Dass wir den KBR gerade erst durch die Kolleginnen und Kollegen von Vitesco Technologies verstärkt haben, ist einerseits eine Herausforderung. Denn wir müssen uns ja anders als geplant in einer enormen Drucksituation zusammenfinden und organisieren. Andererseits helfen uns das größere Team und der frische Blick dabei, die Lage zu analysieren, Ziele zu beschreiben und Lösungen zu erarbeiten. 

Rühl: Tatsächlich haben wir als VT-Kolleginnen und Kollegen einen anderen Willkommensgruß unseres neuen Arbeitgebers erwartet, als den Abbau aberhunderter Stellen gerade an den VT-Standorten und vor allem in Regensburg. Uns wurde vom Schaeffler-Vorstand vor einem Jahr ausdrücklich versichert, dass die Synergien nicht vorwiegend durch umfangreichen Arbeitsplatzabbau gehoben werden sollen. Aber kaum sind wir an Bord, passiert genau das. So verspielt man Vertrauen mit einem Federstrich!

Frage: Aber mal ehrlich: Die aktuelle Lage war doch vor einem Jahr so nicht vorherzusehen, Stichworte Automobilkrise und Schwäche auch im Industriegeschäft…

Schöpplein: Du hörst Dich an wie der Arbeitgeber. Aber im Ernst: Die Fakten bestreitet niemand. Es werden aber die falschen Mittel eingesetzt, um gemeinsam auch diese Krise zu überstehen und gestärkt aus ihr hervorzutreten. Denn wir sind doch angetreten, die Transformation gemeinsam zu gestalten. Das passiert nicht durch Personalabbau! Uns fehlt bei „FORWARD“ bisher das gestaltende Element! 

Frage: Was fordert denn der KBR?

Schöpplein: Sicherheit und Perspektiven – genau das erwarten die Kolleginnen und Kollegen! Aktuell ist doch die Verunsicherung an allen Standorten mit Händen zu greifen. Viele Kolleginnen und Kollegen waren von der brutalen Härte der Information geschockt - am Standort Homburg ebenso wie in Regensburg, Hameln, Nürnberg, Schweinfurt oder Herzogenaurach. Deshalb haben wir als KBR drei wesentliche Ziele: Erstens kämpfen wir um den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze. Die vom Vorstand genannten Zahlen nehmen wir nicht als gottgegeben hin. Zweitens  darf es keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Wir brauchen einen umfangreichen Baukasten von Ausweitung der Altersteilzeit über Qualifizierung und den internen Stellenmarkt bis zu Freiwilligenprogramm und, und, und. Drittens muss für jeden Standort ein verlässliches Zielbild entwickelt werden. Wir stellen uns dabei angesichts der komplexen weltpolitischen Lage ein Verlagerungsmoratorium vor. Viele Unternehmen haben es doch bitter erleben müssen, dass Verlagerungen in vermeintlich sichere Länder und Märkte den Folgen diktatorischer Willkür ausgesetzt waren und sind. Wir müssen jetzt für uns bei Schaeffler intelligente Antworten auf die Grenzen der Globalisierung finden! Den sicheren Heimathafen Deutschland zu schwächen, ist sicher keine intelligente Antwort! 

Rühl: In dem Kontext hinterfragen wir die geplanten Stellenstreichungen gerade im Bereich Elektromobilität äußerst kritisch: Wie kann man eigentlich auf die Idee kommen, Milliarden in den Kauf eines auf Elektromobilität spezialisierten Unternehmens wie Vitesco Technologie zu stecken, um dann genau die Menschen rauszuschmeißen, die dieses Zukunftsfeld entwickeln und gestalten? Und in Hameln passiert ja etwas sehr Ähnliches. Da darf man auch im Aufsichtsrat schon mal fragen, wie belastbar langfristig ausgerichtete strategische Entscheidungen sind, wenn diese beim ersten kräftigen Gegenwind sozusagen vom Winde verweht werden.

Frage: Das hört sich nach einer Kampfansage an den Vorstand an…

Schöpplein: Wir kämpfen natürlich für die Interessen der Beschäftigten! Aber gleichzeitig sehen wir uns auch als Stimme der Vernunft und denken langfristig. Das sollte gut zu einem Familienunternehmen wie Schaeffler passen, das langfristig ausgerichtet ist. Deshalb wollen wir mit dem Arbeitgeber sachlich-konstruktiv Lösungen entwickeln, die mehr der Schaeffler-Kultur des Miteinanders und langfristig belastbarer Perspektiven entsprechen und weniger kurzfristig ausgelegter Renditesteigerungen. Deshalb arbeiten wir mit dem Arbeitgeber zunächst an einem Eckpunktepapier, das genau diesen  Gedanken aufgreift und gleichzeitig unsere genannten Ziele adressiert. Wir sind gespannt, wie der Arbeitgeber auf unsere konstruktiven Vorschläge reagiert. 

Von: Hannes Boekhoff

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